2014 Hair

The American Tribal Love/Rock Musical

USA, 1965. Claude und Berger, zwei Freunde, begehren mit vielen Gleichgesinnten auf gegen die Regeln und Beschränkungen der Gesellschaft, in der sie leben. Sie meinen, eine neue Lebensform gefunden zu haben, die geprägt ist durch die Liebe zueinander, die Gewaltlosigkeit, den Frieden. Sie hoffen auf ein neues Zeitalter im Zeichen des Wassermanns, in dem Werte wie Freiheit und Wahrheit höchste Bedeutung haben.
Noch wird ihr Leben beherrscht von Auseinandersetzungen mit der vorigen Generation, mit deren Moralvorstellungen und Pflichtbewusstsein. Aber es ist vor allem der Vietnam-Krieg, der die höchste Bedrohung darstellt. Claude hat mit anderen den Einberufungsbefehl erhalten.

Dadurch gerät sein größter Reichtum, sein eigenes Leben, in Gefahr. Gemeinsam sucht man nach Gründen, der Army zu entgehen. Vortäuschen von Homosexualität? Das Vernichten des Befehls? Die Eltern können das mangelnde Verantwortungsbewusstsein ihrer Kinder nicht verstehen und beklagen auch ihr Nichtstun und ihr Aussehen.
Berger musste die Universität verlassen, weil die Professoren einn Drogen konsumierende Rebellin nicht länger dulden wollten. Und nun greift der Krieg nach ihr und Claude und den anderen. Ein Krieg, in den Weiße Schwarze und Weiße gegen Gelbe schicken, um Land zu verteidigen, das sie den Roten gestohlen haben. Aber auch an den eigenen Vorstellungen und Forderungen scheitert man.

Claude hat resigniert und macht sich bereit für den Krieg; er hat es nicht geschafft, sich gegen die Einberufung aufzulehnen. Wieder einmal soll das Rauschgift helfen, die Wirklichkeit erträglicher zu gestalten. Gemeinsam begibt man sich auf den Trip.

Auch hier ist der Krieg das beherrschende Thema. Jeder tötet jeden. Schwarz kämpft gegen Weiß, Sklave gegen Herr, eine Religion gegen die andere. Aufgewacht gestehen sich Berger und Claude ihre unterschiedlichen Vorstellungen vom Leben. Berger will nichts tun, sich treiben lassen, high bleiben. Claude möchte unsichtbar sein, der einzige Wunsch, der ihm in „diesem Dreck noch bleibt“. Gemeinsam mit den anderen verbringen sie die letzte Nacht der Welt.

Claude wird tatsächlich von vietnamesischen Kämpfern erschossen, doch seine Freunde besingen gemeinsam mit ihm die Schönheit des Hippie-Daseins.

Fotos

Presse

Die beiden Regisseure Martin Schmidt und Julian Goletzka setzten auf ausgespielte Szenen mit allen Liedern der Partitur und schufen so eine authentische Atmosphäre. Die Choreografien von Philipp Strauss, Anna-Sophie Schmidt, Jenny Wollny und Jihan Belhoula machten aus dem Stück eine moderne Tanzparty der ewig jung erscheinenden Blumenkinder. [...] Als „call me fuck you“ Berger agierte brillant Svenja Göbel und machte aus dem Macho des Originals eine moderne Macha. Auch Oliver Huttel als Woof und Phil Möhler als Hud waren überzeugende Hippies, die mit Mutters Perlenketten behängt den Traum vom lebenslangen Nichtstun lebten. [...] Nach dem rebellischen ersten Teil, in dem auf der Bühne die Ideale der Hippiezeit zelebriert wurden und die Akteure kiffen, vögeln, faulenzen und revoltieren, wird im zweiten Teil der Horrortrip Claudes beklemmend realistisch dargestellt. Die Gewissensqualen des Jungen, der sich schließlich entschied, der Einberufung zu folgen, spielt Mark Wiedermann-Gralla beklemmend realistisch.

Wetzlarer Neue Zeitung (27.06.2014)

Mit dem Klassiker der Hippiezeit, dem Musical Hair von Galt Mc Dermot (Musik) sowie Gerome Ragni und James Rado (Text), begeisterte die Musicalgruppe der Wetzlarer Goetheschule knapp 1000 Besucher im ausverkauften Rosengärtchen. Mit ihrer neuen Produktion schlossen die Schüler an die Erfolge der letzten Jahre an und lieferten eine professionelle Aufführung mit exzellenten Schauspielern.

Gießener Anzeiger (28.06.2014)

Ein veritables Rockorchester im Graben unter der Leitung von Andreas Gerhard und Marcel Rudert sorgte dafür, dass die Musik vom Staub der Jahrzehnte befreit wurde und im Publikum die Lust zum Mittanzen weckte. Im Rosengärtchen erlebten die Besucher eine gelungene Rückschau auf die Hippiezeit und die jungen Akteure ließen den Eindruck entstehen, der Wunsch der Hippies, für immer jung zu bleiben, sei Wirklichkeit geworden. Für die gelungene Darbietung gab es zum Abschluss „Standing Ovations“.

mittelhessen.de (26.06.2014)

Cast & Crew

Hintergrund

Eine Handlung im eigentlichen Sinne gibt es in Hair nicht – die zahlreichen Songs sind lose in einem szenischen Kaleidoskop miteinander verbunden. Man erhält Einblicke in den Alltag einer Gruppe junger Hippies, die sich selbst – in Anlehnung an die Kultur der Indianer – als »Tribe« (dt.: »Stamm«) bezeichnen. Im Zentrum stehen die beiden Freunde Claude und Berger. Claude, der davon träumt, ein Regisseur zu werden, muss zur Musterung. Kurz darauf erhält er seine draft card – den Einberufungsbefehl zum Krieg in Vietnam. Berger, die gerade von der Universität entlassen wurde, drängt ihn, den Befehl zu verbrennen. Plötzlich ist alles anders: Aus harmlosem Spiel wird blutiger Ernst und der Kampf um ein selbstbestimmtes Leben wird härter als je zuvor.

Die Uraufführung von Hair fand am 17. Oktober 1967 am Shakespeare Public Theatre in New York statt und stieß bei den meisten Kritikern auf Empörung: Sie empfanden die Vorgänge als vulgär, die unkonventionelle Dramaturgie dilettantisch und sowohl die Musik als auch die Inszenierung geschmacklos. Anders reagierte das Publikum, das in dem Musical eine authentische Stimme der Jugend der sechziger Jahre erkannte, die sich weigerte, sich dem Leistungsprinzip und den bürgerlichen Moralvorstellungen des prüden Amerikas zu unterwerfen. Am Broadway lief Hair fünf Jahre en suite im Biltmore Theatre, die Deutschsprachige Erstaufführung fand am 24. Oktober 1968 im Münchner Theater in der Brienner Straße statt. 1979 kam der Kinofilm Hair von Milos Forman heraus, für dessen Drehbuch die Vorlage allerdings stark verändert wurde.

Die Hippiebewegung war eine vielschichtige Bewegung mit ernsteren und verspielten, hedonistischen Seiten. Bestehend in erster Linie aus jungen Menschen zwischen 14 und 26 Jahren (90%), wies sie ernstzunehmende Ideen einer alternativen Gesellschaftsorganisation auf. Eine zentrale Gestalt während ihrer Entstehung war Timothy Leary. Im Weiteren hatten Einfluss: Hermann Hesse, Marshall Mc Luhan, Gary Snyder, Allen Ginsberg, Jerry Rubin, Alan Watts und Abbie Hofmann. Den Beginn der Bewegung könnte man mit dem Januar 1966 festlegen; im Laufe desselben Jahres gab es bereits 200.000 Hippies in den USA. Die Hippiebewegung steht in einem Spannungsfeld zwischen Individualismus und gemeinschaftlichen (sozialistischen) Werten. Liebe wurde als einzige Antwort auf die Probleme der Welt betrachtet. Damit einhergehend auch die zentrale Bedeutung der Blumen, Bezeichnungen wie »Flower children«, »Make Love not War«, »Love generation«, »Freedom«, »Flowerpower«, die langen Haare, unordentliche Kleidung, das bunte Erscheinungsbild, das Anleihen aus dem östlichen Kulturbereich und indianischen Kulturen machte. Damit verbunden auch ein Flair von Unschuld und Naivität. Der Satz »Do your own thing« war der Kernsatz der Hippiemoral. So gab die Erscheinung der Hippies in den frühen Tagen ein buntes, fröhliches Bild ab, deren Äußeres schnell einer Kommerzialisierung anheimfiel; daneben der Drogengebrauch – Marihuana und LSD – und eine mehr oder weniger strenge Gesellschaftskritik. Die Grundidee war, auszusteigen, sich soweit als möglich von einer kranken Gesellschaft zu isolieren. Dabei waren Drogen ein gestalterischer Motor.

Die Autoren

Gerome Ragni und James Rado (Text)
Der italienischstämmige Schauspieler Gerome Ragni, der am Broadway u. a. die Titelrolle in Hamlet spielte, lernte James Rado 1964 kennen. Während einer Tournee beschlossen die beiden Schauspielkollegen, ein eigenes Musical zu schreiben. 1966 schloss sich Ragni dem Open Theatre an, das aus dem legendären Living Theatre hervorgegangen war und dessen happeningartigen Aufführungen Kultcharakter hatten. Die experimentelle Arbeitsweise des Off-Theaters inspirierte Ragni und beeinflusste auch das Musical, das er nun gemeinsam mit James Rado schrieb. Im Milieu des East Village, dem damaligen Zentrum der New Yorker Subkultur, fanden die beiden das richtige Thema: Die Hippie-Bewegung. Dort entstanden in kurzer Zeit die Songtexte für Hair. In der Uraufführung spielten sie selbst die Hauptrollen: Ragni war als Berger, Rado als Claude zu sehen. Ragni und Rado haben, teilweise gemeinsam, weitere
Musicals geschrieben, die jedoch nicht an den Erfolg von Hair anknüpfen konnten. 1991 starb Ragni an Krebs. James Rado schreibt noch immer an neuen Texten für Hair. 2011 gab er vor dem New Yorker Protestcamp der Occupy-
Bewegung ein Konzert.

Galt MacDermot (Musik)
Der kanadische Diplomatensohn MacDermot studierte unter Anderem am College of Music in Cape Town, Südafrika. Er arbeitete als Organist und Kirchenmusiker in Montreal, später als Komponist von Jazz- und Rocksongs und Barpianist in New York, wo er Ragni und Rado kennenlernte. Die Musik zu Hair entstand in weniger als vier Monaten. MacDermot schrieb auch die Musik für das Musical Two Gentleman of Verona sowie zahlreiche Songs und Musikstücke für Film und Theater.

Vorwort

Liebe Zuschauerin, lieber Zuschauer,

Konstantin Wecker, einer DER Empörer der Republik, erzählte mir einmal eine Geschichte. Auf einer Demo fragte ihn ein Mann: »Herr Wecker, das ist schon eine gute Sache hier, aber reden wir doch mal ganz offen – warum sollten wir eigentlich noch auf die Straße gehen? Haben wir nicht alles erreicht, was wir uns erhofft hatten?« Konstantin Wecker war ehrlich und erzählte, dass er keine Antwort darauf hatte.

Und dann lesen wir in der Zeitung von Bürgerkriegen, Terrorcamps, Folter, Faschismus, Genitalverstümmelung, Hungersnöten, Diskriminierung von Frauen und gleichgeschlechtlicher Liebe, Fukushima, Turbokapitalismus und religiösem Fanatismus.

Ich glaube, das sind gute Gründe, auf die Straße zu gehen.

Aber zurück zu Hair. Hair ist ein Musical über eine Generation, die den unbändigen Drang nach Freiheit verspürte. Eine Generation, die kämpfen musste, um so kleine Triumphe zu haben, wie ihre Haare lang tragen zu dürfen. Doch alles wurde noch überschattet vom Vietnamkrieg, der Millionen Tote forderte. Bilder und Nachrichten von Gräueltaten der Kriegsmächte gingen um die Welt. Amerikanische Teenager wurden eingezogen und mussten im 14.000 Kilometer entfernten Vietnam morden und sterben.

Es ist leicht, zu denken, dass Hair nicht mehr zeitgemäß ist. Es ist leicht, zu denken, dass die Protagonisten Party-verliebte, immer glückliche Drogenopfer waren. Aber sie sind eine Station auf dem Weg dahin, wo wir heute sind: Heute darf sich jeder entscheiden, ob er sein Haar lang trägt, oder kurz. Ob er einen Mann küsst oder eine Frau. Welchen Beruf er ergreifen möchte, was er lesen oder sich im Internet anschauen will. Welche Lieder er singen und welche Instrumente er spielen will. Ein Blick in andere Teile der Welt zeigt, dass diese Freiheit lange nicht selbstverständlich ist.

Schon drei Jahrzehnte vor der Hippiebewegung schrieb Bertolt Brecht ein Gedicht, mit dem ich Sie auf unsere Version von Hair einstimmen wollte. Aber leider liegen die Rechte dafür bei seiner Tochter und die hütet sie wie ihren Augapfel. Fühlen Sie sich aber trotzdem ermutigt, nach Hause zu gehen, Ihren Brecht Gedichteband in die Hand zu nehmen, und Teil drei des Gedichtes An die Nachgeborenen zu lesen. Fühlen Sie sich dabei angesprochen und denken Sie an heute Abend zurück.

Viel Spaß bei Hair wünscht Ihnen,

Julian Goletzka