2003 Der kleine Horrorladen

Der größte Teil der Geschichte spielt sich im Blumenladen des Mr. Mushnik in einem Vorort einer großen amerikanischen Stadt ab. Von ihm aus dem Waisenhaus geholt und als Gehilfe gnadenlos ausgebeutet wird die Hauptfigur Seymour Krelborn. Im Laufe der ersten Szenen wird dieses Setting durch die Songs Hop-La-Hop und Vorstadt/Downtown ausgemalt. Die weibliche Hauptperson des Musicals ist die Angestellte Audrey, die von Seymour heimlich geliebt wird. Sie ist jedoch mit dem sadistischen Zahnarzt Orin Scrivello verlobt. Drei weibliche Figuren, Ronnette, Chiffon und Crystal, nehmen die Rolle eines Theater-Chors ein, der in Wort und Gesang die Handlung kommentiert.

Als die beiden Angestellten des Blumenladens wieder einmal vergeblich auf Kundschaft warten, eröffnet ihnen Mr. Mushnik, dass er den Laden schließen müsse. Als Rettungsversuch wird eine ungewöhnliche Pflanze ins Fenster gestellt, die Seymour bei einem Chinesen gekauft hat. Tatsächlich zieht die Pflanze, die Seymour „Audrey II“ nennt, viele neue Kunden an, was den maroden Laden vor dem Ruin rettet. Allerdings scheint die Pflanze zu verwelken, woraufhin Seymour alles versucht, das Gewächs zu retten. Während des Songs „Wachs für mich“/“Grow for Me“ findet er heraus, wie er die Pflanze am Leben erhalten kann: Er füttert sie mit einigen Tropfen von seinem Blut. Durch die ungewöhnliche Nahrung wächst die Pflanze und verlangt nach mehr.

Fotos

Cast & Crew

Produktionsleitung: Jan Guckenbiehl und Malte Weber
Regieleitung: Tim Klucken
Choreographie: Svenja Kopyciok und Nina Rees
Gesangsleitung: Alexander Richter
Bandleitung: Ludwig Harsch
Technische Leitung: Sebastian Aspermaier

Wie der Mythos entstand

Die Vorlage des Musicals „Little Shop of Horrors“ war ein Film, der allerdings mehr als 20 Jahre älter ist. Die makabre und groteske Story von dem trotteligen Angestellten eines Blumenladens in Los Angeles, den sein Chef als letzte berufliche Chance vor die Aufgabe stellt, Erfolg mit einer selbstgezüchteten Pflanze zu haben – die sich dann als menschenverschlingendes Monstrum entpuppt – drehte 1960 der Regisseur und Produzent Roger Corman.

Cormans Karriere hat Aspekte des Klischees „Vom Tellerwäscher zum Millionär“: Mit 22 Jahren war er Laufbursche bei der berühmten Filmgesellschaft „20th Century Fox“, mit 27 bereits Inhaber einer eigenen Produktionsfirma, die in verschiedenen Genres arbeitete, sowohl Western wie Gangsterstreifen drehte, vor allem aber sich bald auf phantastische Horrorfilme zu spezialisieren begann. Dabei wurden durchaus nicht nur mehr oder minder anspruchslose Produktionen herausgebracht: Zwischen 1960 und 1965 drehte Corman eine Reihe von Verfilmungen nach Novellen von Edgar Allen Poe, einem der bedeutendsten Literaten der USA. Nicht nur das Team dieser Filme war gleich, Corman hielt sich an gleiche Stilprinzipien und – verwendete stets die gleiche Dekoration. Er, der sein Handwerk „von der Pike auf“ gelernt hatte, war geradezu ein Fanatiker der Sparsamkeit und der exakten Zeitpläne. Diese Eigenarten verdankte „The Little Shop of Horrors“ seine Entstehung, eigentlich einer Wette; Corman selbst hat behauptet: „Ich wollte den Rekord im Filmemachen brechen.“

Sein Kompagnon Charles B. Griffith lieferte innerhalb von einer Woche das fertige Drehbuch, der Film selbst war in nur fünf Tagen fertiggestellt. Die Rolle des Masochisten war damals übrigens mit einem kommenden Star besetzt – dem erst 23jährigen Jack Nicholson. Roger Corman wurde durch diese eigentlich eher als „Witz“ angepackte Arbeit zu einer Kultfigur der Cineasten, noch vor Erscheinen seiner Reihe von Poe-Verfilmungen.

Erst mehr als zwei Jahrzehnte später schufen Howard Ashman und Alan Menken das Musical „Little Shop of Horrors“. Ashman war damals als Librettist, Songtexter, Lyriker und Dramatiker erfolgreich, kannte die Gesetze der Bühne sowohl als Autor wie auch als Regisseur und Theaterleiter; in Houston, San Francisco und Pittsburgh hatte er übrigens auch Opern inszeniert.

In Zusammenarbeit mit seinem damaligen „Hauskomponisten“ Alan Menken, der als musikalischer Leiter und Show-Sänger an Ashmans kleinem WPA Theatre in New York arbeitete, schuf er 1982 die Musical-Fassung des Stoffes, modifizierte sie vor allem durch Einführung der Figur Audreys und der drei Girls, die teils agierende Figuren sind, teils nach der Art antiker griechischer Chorgestalten das Geschehen als Außenstehende kommentieren. Alan Menken war damals bereits ein erfahrener und erfolgreicher Komponist von Musicals, arbeitete fürs Fernsehen, die Fernseh-Werbung und die Film-Industrie; für seine Musik zu der Walt-Disney-Produktion „Arielle“ wurde er mit einem Oscar ausgezeichnet. In Deutschland ist sein Name vor allem durch die Musik für das Kinderprogramm „Sesamstraße“ bekannt geworden. Das Problem eines solchen Pflanzenmonstrums, das sich natürlich live auf der Bühne bewegen muß (da hatte es Roger Corman durch Trickaufnahmen viel leichter gehabt!), löste man durch das Engagement des Puppenspielers und Animateurs Martin P. Robinson, der der Pflanze – nun ein außerirdischer Eindringling in die Menschenwelt, der ganz auf die Eroberung der Weltherrschaft programmiert ist- ein gespenstisches Eigenleben verlieh.

Der Uraufführung durch das New Yorker WPA Theatre am 27. Juli 1982 folgte ein beispielloser Siegeszug durch die USA, allein am Ort der Premiere wurde „Little Shop of Horrors“ bis 1989 gespielt; im gleichen Jahr, am 31. März, brachte Gelsenkirchen die deutsche Erstaufführung. Schon drei Jahre zuvor hatte in den USA Frank Oz, Spezialist für Puppenfilme, ein Film-Remake gedreht, freilich nicht nach Cormans Produktion von 1960, sondern auf der Basis des Musicals. Dies sei hier nicht nur der Vollständigkeit halber erwähnt, sondern auch deshalb, weil Oz -analog zu Alan Menken und seiner Musik für die „Sesamstraße“- ebenfalls durch eine Fernsehserie in Deutschland bekannt ist: Frank Oz ist der „Vater“ der Muppets, also von „Puppen-Leinwand-Stars“ wie dem Frosch Kermit und Miss Piggy. Howard Ashman, der für „Little Shop of Horrors“ einen begehrten New Yorker Kritiker-Preis für das beste Musical gewann, starb übrigens nicht ganz zwei Jahre nach den ersten Erfolgen seines „Horrorladens“ in Deutschland (Erstaufführung 1989 in Gelsenkirchen) als Vierzigjähriger.

Synopsis

In einem kleinen, etwas heruntergekommenen Blumenladen in Downtown Skid Row arbeiten der sympathische, jedoch etwas schüchterne und ungeschickte Seymour (sprich Siehmoor) und seine Kollegin, die Blumenverkäuferin Audrey (sprich Ohdri). Audrey ist eine wasserstoffgebleichte Blondine, die mit ihren dekolletierten Kleidern und ihren Pfennigabsätzen ganz und gar nicht wie eine gewöhnliche Blumenverkäuferin aussieht. Zum Leidwesen des Inhabers Mr. Mushnik (sprich Mister Muschnick) läuft der Laden nicht besonders gut. Eines Tages, als Seymour auf der Suche nach exotischen Pflanzen in Chinatown herumstöbert, schiebt sich der Mond vor die Sonne und eine Pflanze taucht plötzlich – wie aus dem Nichts- auf. Seymour ahnt sofort, dass diese Pflanze etwas ganz besonderes ist und kauft sie einem alten Chinesen ab. Da die exotische Pflanze keinen Namen hat und das Herz unseres sympathischen Angestellten von dem entzückenden Lächeln, dem reizenden Äußeren und der liebevollen Art seiner Kollegin Audrey erobert wurde, nennt Seymour die Pflanze Audrey II (sprich Ohdri Zwei). Wie sich bald herausstellt ist Audrey II wirklich etwas ganz Besonderes. Der kleine Blumenladen fängt plötzlich an zu florieren. Viele Menschen kommen um diese exotische Pflanze zu sehen. Der Blumenzüchter Seymour wird berühmt und, da er ein Waisenkind ist, von Mr. Mushnik (nicht ganz ohne Berechnung) adoptiert. Das wichtigste für Seymour allerdings ist, dass durch Audrey II und ihre ungewöhnlichen Gewohnheiten das Herz seiner Angebeteten Audrey (eins) frei wird und von ihm erobert werden kann. Für Audrey (eins) bedeutet dies endlich die Erlösung von Horror-Beziehungen mit schlagenden Männern und sadistischen Typen wie z.B. Orin (sprich wie’s da steht). Mit dem liebevollen Seymour kann sie ganz ungeschminkt sie selbst sein und von einem kleinen gemeinsamen Haus ganz weit draußen im Grünen irgendwo träumen …